Wissenschaft

Wissenschaftliche Publikation

Die VGH unterstützt regelmäßig Publikationen zur Landes-, Regional- und Kulturgeschichte. Daneben fördert sie auch wissenschaftliche Projekte, an deren Ende Veröffentlichungen in Buchform steht. Einige dieser Neuerscheinungen möchten wir hier vorstellen – auch weil von ihnen viele während der Corona-Pandemie publiziert wurden, in der klassische Buchvorstellungen nur sehr eingeschränkt stattfinden konnten.

Schließen einer Forschungslücke: Die Sozialgeschichte Lüneburgs von 1918 bis 1945

Als Hanse- und Salzstadt stand Lüneburg seit jeher im Fokus der Mittelalter- und Frühneuzeitforschung, während spätere Epochen der Stadtgeschichte weit schlechter ausgeleuchtet wurden. Der Historiker Dirk Stegmann hat sich einer der vorhandenen Forschungslücken angenommen und eine Sozialgeschichte der Stadt Lüneburg vorgelegt, die die Zeit vom Ende des Ersten Weltkriegs 1918 bis zum Untergang der nationalsozialistischen Diktatur 1945 in den Blick nimmt. Er zeichnet dabei das Bild einer Stadtgesellschaft, die der neuen Republik aufgeschlossen begegnete, die Krisen der 1920er Jahre recht gut meisterte und deren demokratische Ordnung im Verlauf des Jahres 1932 erodierte, sodass die Nationalsozialisten schnelle Erfolge feiern konnten. Mit seinem Werk hat Stegmann nicht nur für Lüneburgerinnen und Lüneburger eine Basis geschaffen, um sich weitergehend mit der Lüneburger Stadtgeschichte zwischen den Weltkriegen auseinanderzusetzen.

Dirk Stegmann: Lüneburg 1918-1945. Stadtgesellschaft zwischen Kaiserreich, Republik und Diktatur [Beiträge aus dem Museum Lüneburg 5], Museumstiftung Lüneburg 2020 [ISBN 978-3-946481-05-8]

Neue Perspektiven auf den Osnabrücker Justus Möser

Denker der Aufklärung, Staatsmann, Publizist, Historiker etc. – Justus Möser werden zu Recht viele Rollen zugeschrieben, die weit über die Grenzen seiner Heimatstadt Osnabrück hinausweisen und zugleich auch die Geschichte des Osnabrücker Landes im 18. Jahrhundert nachhaltig prägen. Der Landschaftsverband Osnabrücker Land hat daher den 300. Geburtstag Justus Mösers zum Anlass genommen, in einem Forschungsprojekt Themenfelder zu Mösers Wirken abzustecken, auf einer wissenschaftlichen Tagung den aktuellen Forschungsstand zu diskutieren und deren Beiträge in einem Tagungsband zu publizieren. Die Bandbreite ist enorm: Allgemeine politische Theorie, deren praktische Anwendung im Fürstentum Osnabrück, Mösers Position zwischen Modernität und Bewahren, seine Kommunikationsnetzwerke und sein Verständnis regionaler Identität – die Publikation zeigt, wie lohnend ein „neuer Blick“ auf Justus Möser ist.

Ulrich Winzer/Susanne Tauss (Hrsg.): „Es hat also jede Sache ihren Gesichtspunct…“ Neue Blicke auf Justus Möser (1720-1794) [Kulturregion Osnabrück 33], Waxmann Verlag, Münster/New York [ISBN 978-3-8309-4099-9]

Eine Reise durch die Göttinger Kunstgeschichte: Göttinger Künstlerlexikon

Über 600 Jahre Kunstschaffen in einer Stadt anhand der Biografien der Künstlerinnen und Künstler beleuchten, dabei die verschiedenen Genres im Blick? Für die Stadt Göttingen ist dies Thomas Appel mit seiner Dissertation gelungen. Er trägt in seinem Göttinger Künstlerlexikon die Biografien von mehr als 450 Kunstschaffenden zusammen, aus denen sich viel über die Entstehungsgeschichte wichtiger Kunstobjekte und die Lebensumstände der jeweiligen Epochen herauslesen lässt. Dass es Appel dabei auch gelungen ist, bisher unbekannte Künstler zu porträtieren und zahlreiche anonyme Werke zuzuweisen, ist seiner vorbildlichen Auswertung der archivalischen Überlieferung zu verdanken. Wissenschaft und interessierter Öffentlichkeit bietet das reich bebilderte Nachschlagewerk eine abwechslungsreiche Reise durch die Göttinger Kunstgeschichte.

Thomas Appel: Göttinger Künstlerlexikon. Maler – Grafiker – Bildhauer – Architekten. Vom 14. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2022 [ISBN 978-3-86395-504-5]

open access:
https://univerlag.uni-goettingen.de/handle/3/isbn-978-3-86395-504-5

Lückenschluss Hann. Münden

Seit dem Brand dreier historischer Fachwerkhäuser in Hann. Münden im Jahr 2020 klafft eine Baulücke wie eine Wunde in der historischen Altstadt. Dies war der Ausgangspunkt für Birgit Franz und Till Boettger, gemeinsam mit Studierenden der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen (HAWK) eine architektonische Antwort auf das Brandunglück zu finden. Ausgehend von einer Analyse der historisch gewachsenen Stadtgestalt stellt die Publikation vier studentische Entwürfe zur Diskussion, die das Ziel haben, in Form, Materialität und Nutzung Impulse des denkmalgeschützten Bestandes aufzunehmen und zugleich die Innenstadt Hann. Mündens zeitgemäß „weiterzubauen“.

Till Boettger/Birgit Franz (Hg.): Lückenschluss. Resiliente Quartiersentwicklung für die denkmalgeschützte Fachwerkstatt Hann. Münden, Verlag Fruehwerk, Hildesheim/Berlin 2022 [ISBN 978-3-941295-24-7]

open access:
https://issuu.com/tillboettger/docs/lueckenschluss

Landschaften und Heimaten

Hansjörg Küster hat sich wissenschaftlich und publizistisch über Jahrzehnte mit der ganzheitlichen Darstellung von Landschaften beschäftigt, die durch ihre jeweils ganz speziellen Verknüpfungen von Natur, Kultur und Ideen unterschiedlichen Menschen Heimat sind oder zur Heimat werden. Bis 2022 prägte der in Hannover lehrende Professor für Pflanzenökologie über 18 Jahre den Niedersächsischen Heimatbund (NHB) als dessen Präsident. Die Schaumburgische Landschaft und der NHB ehren Hansjörg Küster für sein weit über die niedersächsische Heimatpflege hinausreichendes Wirken mit der vorliegenden Festschrift, die 28 seiner einschlägigen Beiträge erneut veröffentlicht – 28 abwechslungsreiche Zugänge zu Landschaften und Heimaten.

Hansjörg Küster: Heimaten. Von Natur, Kultur und Ideen geprägte Landschaften [Kulturlandschaft Schaumburg 27], Wallstein Verlag, Göttingen 2023 [ISBN 978-3-8353-5349-7]

Zwischen Elbe und Ems. 1200 Jahre Kunst in Niedersachsen, Hamburg und Bremen

Wie gewinnt man einen Überblick über zwölf Jahrhunderte Kunstgeschichte in Niedersachsen, Hamburg und Bremen? Der Kunsthistoriker und Architekt Urs Boeck hat sich der Frage gestellt, seine jahrzehntelange Berufserfahrung als Hauptkonservator im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege Revue passieren lassen und eine Zusammenschau von Architektur, Bildhauerei und Malerei der drei Bundesländer vorgelegt. In kurzen Kapiteln beleuchtet er unterschiedliche Kunstströmungen und -epochen, greift schlaglichtartig die prägnantesten Objekte heraus und ordnet sie in ihren jeweiligen geschichtlichen Kontext ein: Ein Nachschlagewerk mit hohem wissenschaftlichen Anspruch, das zugleich Laien einen abwechslungsreichen Überblick bietet.

Urs Boeck: Zwischen Elbe und Ems. 1200 Jahre Kunst in Niedersachsen, Hamburg und Bremen, Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2020 [ISBN 978-3-422-07441-5]

Wandelbare Bildträger. Bemalte Tafeln und ihre Funktion im Spätmittelalter

Pavla Ralcheva untersucht in ihrer Dissertation beidseitig bemalte, museal heute als Gemälde präsentierte Holztafeln des Spätmittelalters und rekonstruiert ihre ursprüngliche Funktion (z. B. als Klappen oder Deckel) als bewegliche Teile kirchlicher Ausstattungsgegenstände. Zum Vergleich zieht sie prominente Objekte heran, die sich bis heute in ihrem Funktionszusammenhang erhalten haben. Dabei untersucht sie auch eingehend den prächtigen Heilig-Grab-Sarg im Kloster Wienhausen bei Celle und sorgt so dafür, dass ein herausragendes niedersächsisches Kunstwerk in einer vergleichenden kunstgeschichtlichen Betrachtung angemessen gewürdigt wird.

Pavla Ralcheva: Wandelbare Bildträger. Die Funktion beidseitig bemalter Tafeln im Spätmittelalter, Reimer-Verlag, Berlin 2022 [ISBN 978-3-496-01683-0]

Verstrickt. Der Nationalsozialismus im alten Landkreis Springe

Die nationalsozialistische Diktatur ab 1933 war kein abstraktes politisches System, sondern entstand aus dem Zusammenwirken zahlloser Akteure, die in ihrem Umfeld die nationalsozialistische Durchdringung der Gesellschaft aktiv beförderten, ihren Platz dabei suchten oder zumindest (bis auf wenige Ausnahmen) widerstandslos hinnahmen. Was dies konkret vor Ort bedeutete, hat Kai Witthinrich für den Altkreis Springe südwestlich von Hannover herausgearbeitet. Anstelle der häufig stadtzentrierten Forschung zum Dritten Reich wendet er sich einem ländlich geprägten Raum zu, nutzt bisher unbekannte Quellen und zeichnet so ein facettenreiches Bild, das beispielgebend für ähnliche Untersuchungen in weiteren Regionen ist. Vor Ort ist das Buch der Auftakt für eine fortgesetzte Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus, denn 2023 wird das Museum Bad Münder – aufbauend auf Witthinrichs Forschungen – eine Sonderausstellung zum Thema zeigen.

Kai Witthinrich: Verstrickt. Der Nationalsozialismus im alten Landkreis Springe [Schriftenreihe des Museums Bad Münder 16], Heimatbund Niedersachsen e.V., Ortsgruppe Bad Münder, 2022 [ISBN 978-3-00-072775-7]

Faule Müßiggänger und „rechte“ Arme

Für das Leben in frühneuzeitlichen Städten war die Armenfürsorge eine zentrale Aufgabe und fortwährender Konfliktstoff im Alltag. In kommunalen Verordnungen wurde bestimmt, was Armut, was Bettelei und was fauler Müßiggang war und wie damit umzugehen sei. Diese „Armen- und Bettelordnungen“ spiegeln die durch die vor Ort herrschenden sozialen Normen und moralischen Wertungen wider. Ivette Nuckel hat solche Ordnungen des 16. und 17. Jahrhunderts aus Bremen, Lübeck, Lüneburg und Oldenburg zusammengetragen, ediert und kommentiert, sodass ein Vergleich der Armenfürsorge in norddeutschen Städten möglich wird. Besonders hilfreich ist, dass Nuckel für die (mittel-)niederdeutschen Texte jeweils eine hochdeutsche Übersetzung bietet und damit die Sprachbarriere beseitigt, die häufig eine direkte Auseinandersetzung mit den frühneuzeitlichen Schriftquellen Norddeutschlands verhindert.

Ivette Nuckel (Hg.): Faule Müssiggänger und „rechte“ Arme. Armen- und Bettelordnungen Bremens, Lübecks, Lüneburgs und Oldenburgs des 16. und 17. Jahrhunderts, Solivagus-Verlag, Kiel 2021 [ISBN 978-3-943025-41-5]