
Soldat im Ersten Weltkrieg – Volksschullehrer – NSDAP-Funktionär
Die Tagebücher von Bernhard Beckmann aus Glandorf
Das alltägliche Leben in der Zeit des Nationalsozialismus lässt sich meist nur dann beschreiben, wenn Quellen vorliegen, die über normale Verwaltungsakten hinausgehen. Besondere Bedeutung haben hier persönliche Aufzeichnungen, die – wenn sie sich denn erhalten haben – nur selten für die Forschung uneingeschränkt zugänglich sind. Mehr noch als für Städte gilt dies für kleinere Orte und ländliche Räume.
Dass sich diese Situation für den Ort Glandorf im Landkreis Osnabrück deutlich verbessert hat, ist dem dortigen Heimat- und Kulturverein zu verdanken: Im Zuge der Restaurierung des denkmalgeschützten Hauses Wibbelsmann im Ortszentrum (2022 wurde es als Kulturzentrum eingeweiht), kamen die Verantwortlichen in Kontakt mit den Erben des Volksschullehrers Bernhard Beckmann (1893-1966), der über vier Jahrzehnte bis zu seinem Tod in jenem Haus gewohnt hatte. Zu dessen Nachlass gehörten umfangreiche autobiografische Aufzeichnungen, aus denen die Tagebücher aus der Zeit als Soldat im Ersten Weltkrieg (1914-1918) und aus der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 sowie eine Chronik der NSDAP-Ortsgruppe Glandorf, die Beckmann als verantwortlicher Parteifunktionär führte, hervorstechen.
Mit Zustimmung der Erben stellte der Heimat- und Kulturverein gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Neueste Geschichte und Historische Migrationsforschung der Universität Osnabrück ein Forschungsprojekt auf die Beine: Mit finanzieller Unterstützung der VGH Stiftung wurden Beckmanns Tagebücher in anderthalb Jahren wissenschaftlich erschlossen und anschließend online veröffentlicht (Beckmanns Tagebücher, hrsg. von Maik Hoops und Christoph Raß).
Die Aufzeichnungen werfen ein Schlaglicht auf die Lokalgeschichte Glandorfs, zeigen aber auch einen Werdegang, der exemplarisch für viele Zeitgenossen Beckmanns steht: Es lässt sich erkennen, wie sich der junge Freiwillige des Ersten Weltkriegs mit einer entschieden deutschnationalen Gesinnung spätestens ab 1933 zu einem überzeugten Nationalsozialisten entwickelte. Für das Regime war er als Volksschullehrer eine wichtige Stütze, denn er mobilisierte zu zahllosen offiziellen und Parteianlässen seine Schülerinnen und Schüler als Teilnehmende und Mitwirkende. Im Zweiten Weltkrieg, den er nicht als Soldat, sondern an der „Heimatfront“ erlebte, wich seine anfängliche Begeisterung immer stärkerer Ernüchterung. Bezeichnend sein lakonischer Eintrag zum 4. Mai 1945, als in Glandorf bereits US-amerikanische Soldaten die Kontrolle übernommen hatten: „Stimmung sehr gedrückt. Unsere Sender schweigen (nur noch Trug). Wir merken, daß wir befreit sind.“


