Wissenschaft

Neues Bildungszentrum der „Euthanasie“-Gedenkstätte eingeweiht: Mehr Raum für Begegnung

Während der NS-Diktatur wurden in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg von 1941 bis 1945 mindestens 300 bis 350 Kinder und Jugendliche mit Medikamenten ermordet. Rund 100 weitere verhungerten. Der alte Wasserturm auf dem Gelände beherbergt seit 2004 die „Euthanasie“-Gedenkstätte zur Erinnerung an diese Opfer. 

Am 30. August 2020 wurde das neue Bildungszentrum der „Euthanasie“-Gedenkstätte Lüneburg im denkmalgeschützten Gärtnerhaus auf dem Gelände der Psychiatrischen Klinik – coronabedingt mit begrenztem Teilnehmerkreis – feierlich eingeweiht (weitere Informationen finden Sie hier). Das Gebäude bietet zukünftig Raum für Ausstellungen, Begegnungsprojekte und Seminare u. a. für medizinisches Fachpersonal, Schulklassen und Angehörige der Opfer.

Vom Wasserturm ins Gärtnerhaus

„In unseren ein- und mehrtägigen Seminaren haben wir auch internationale Gruppen zu Besuch. Für die Bildungsarbeit sind uns in unseren bisherigen Räumen im ehemaligen Badehaus am Wasserturm platzmäßig enge Grenzen gesetzt, und auch die Akustik ist ungeeignet“, erläutert die Leiterin der Gedenkstätte Dr. Carola Rudnick. Schon länger hat sie sich nach Räumlichkeiten auf dem Gelände umgeschaut, um die Anforderungen an eine moderne gedenkstättenpädagogische Arbeit besser erfüllen zu können. Dann bot die Psychiatrische Klinik Lüneburg dem Trägerverein der Gedenkstätte das ehemalige Gärtnerhaus an. Nach der umfassenden denkmalgerechten Sanierung plant Rudnick nun gemeinsam mit Dr. Sebastian Stierl, 1. Vorsitzender der Gedenkstätte, den Einzug.

Stummer Zeitzeuge

Was seit Kurzem in frischen Farben strahlt, stand schon fast vor dem Abriss: Das ehemalige Gärtnerhaus wurde in den 1830er-Jahren als erste Königlich-Hannoversche Baumschule erbaut und diente nach der Eingliederung in das Anstaltsgelände ab 1901 viele Jahrzehnte als Wohnhaus für die Familien des Klinikpersonals. Zuletzt blieb es viele Jahre lang ungenutzt. “Die Entscheidung, für unsere Gedenkstätte das Gärtnerhaus mit zu nutzen, hat dem Gebäude nun neues Leben eingehaucht“, sagt Rudnick. Während es im Erdgeschoss ausreichend Platz für Seminare, Workshops und kleinere Sonderausstellungen gibt, zieht das pädagogische Archiv ins Obergeschoss ein.

Von Grund auf saniert

Während der Instandsetzung des denkmalgeschützten Fachwerkhauses lief nicht immer alles rund: Ein umfangreicher Schädlingsbefall in den Balken hielt den Zeitplan ebenso auf wie der längere krankheitsbedingte Ausfall eines Handwerkers. Es folgten Probleme mit der Statik, und dann verzögerte auch noch der Corona-Shutdown die Arbeiten. Nun, nach rund 16 Monaten Bauzeit, sind auch die letzten handwerklichen Arbeiten erledigt und das Gebäude ist eingeweiht.

Mit Fördergeldern finanziert

Die denkmalgerechte Sanierung des Gärtnerhauses und der Umbau in eine zeitgemäße Begegnungsstätte waren nur mit Hilfe von Spendengeldern möglich. Neben weiteren Geldgebern unterstützt auch die VGH Stiftung das Projekt: Sie übernimmt die Kosten für die Möblierung des pädagogischen Archivs sowie für die IT zur Verwaltung und Digitalisierung der Akten, die die Krankenmorde dokumentieren.

Text und Medien: Anna Stella Bonin
Fotos Gärtnerhaus: Dr. Carola Rudnick

Umsetzung Internet: Jörg Zimmermann